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Dr. Christoph Quarch

Top-Kategorie: Selbstfindung

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Wann bin ich tough? Wieviel muss ich dafür riskieren?

Lassen wir Aristoteles – ihr wisst schon, der Philosoph aus dem antiken Griechenland – die Fragen nach Mut und Leidenschaft beantworten.

Heute reden wir viel über Werte. In der Antike kümmerte man sich mehr um Tugenden. Ihr fragt euch, was der Unterschied ist? Tugenden sind weniger modeanfällig als Werte und somit nachhaltigere Lebenshilfen. Von solchen Tugenden handelt mein nachfolgender Lifehack.

„Wie tough muss ich sein?“ Hm, diese Frage trieb schon den jungen Alexander um, dessen Erzieher ich, Aristoteles, seinerzeit war. Ihr nennt ihn ja inzwischen „den Großen“ – nicht ohne Grund, wie mich dünkt, denn er hat wirklich Großes vollbracht, als er im Alleingang das große Perserreich eroberte. Das war tough! Allerdings hätten wir damals ein anderes Wort verwendet: Wir hätten ihn andreíos genannt, was in eurer Sprache mannhaft heißt, von euren Übersetzern aber meist mit mutig oder couragiert wiedergeben wird. Das ist nicht verkehrt. Im Gegenteil: Es verrät etwas davon, was es mit der andreía, der Mannhaftigkeit, auf sich hat. Aber dafür muss ich etwas weiter ausholen.

Zu meiner Zeit waren sich alle darüber einig, dass Mannhaftigkeit eine Tugend ist; und zwar die Tugend eines Kriegers. Das erklärt auch ihren Namen, denn bei uns in Hellas waren der Krieg und deshalb auch der Mut eine reine Männersache. Ich weiß, bei euch ist das inzwischen anders. Erstens, weil es bei euch auch Soldatinnen gibt, zweitens weil ihr zwar immer noch Kriege führt, allerdings eure Mannhaftigkeit auch bei vielen anderen Aktivitäten unter Beweis stellt beim Leben retten, beim Feuerlöschen, beim Fliegen, beim Extremsport, im Business – oder was ihr sonst noch alles erfunden habt, um euch zu beweisen. Und drittens, weil ihr herausgefunden habt, dass Frauen genauso mutig sein können wir Männer. Nun gut, lassen wir also die Mannhaftigkeit beiseite und reden über Mut oder Courage: eine Tugend, die ihr überall da an den Tag legen könnt (und müsst), wo es brenzlig wird. Aber was genau macht sie aus? Und wie könnt ihr sie richtig nutzen?

Ich will es euch schon noch verraten, aber zuerst muss ich euch fragen, ob ihr wisst, was eine Tugend ist? Eher nicht, oder? Passt auf: Euer Wort Tugend kommt von taugen. Und etwas taugt genau dann, wenn es gut ist. Aber was heißt hier gut? Gut heißt: Es entspricht dem, was es ist. Beispiel: Ein Messer taugt etwas, wenn du gut damit schneiden kannst. Richtig? Die Tugend eines Messers heißt dementsprechend Schneidigkeit oder Schnittigkeit. Anderes Bespiel: Ein Pferd taugt dann etwas, wenn es schnell und stark ist. Die Tugend eines Pferdes heißt deswegen Kraft, Wendigkeit oder irgendetwas in der Art. So, und jetzt fragen wir uns: Wovon genau ist der Mut eine Tugend? Ist er die Tugend des Kriegers? Nein, denn auch eure Free-Climber und Seenot-Retter sind mutig. Er ist vielmehr die Tugend deiner Leidenschaft, deines Eifers. Und weil Leidenschaft und Eifer in der Brust wohnen, kannst du auch sagen: Er ist die Tugend deines Herzens. Herz heißt ja auf Lateinisch cor, und davon kommt das Wort Courage: Beherztheit.

So weit sind wir nun: Mut oder Courage – das ist die Tugend des Herzens, der Leidenschaft. Damit ist auch klar: Das ist keine Sache des Kopfes oder des Willens. Mutig bist du nicht, wenn du mutig sein willst. Mutig bist du, wenn dein Herz in Ordnung ist: wenn du richtig beherzt bist. Aber was soll das nun wieder heißen? Gute Frage. Denn jetzt müssen wir klären, wie Mut und Beherztheit richtig zu dosieren sind: wieviel zu riskieren mutig ist. Ich glaube, darauf habe ich vor vielen Jahren dem Nikomachos eine gute Antwort gegeben, als ich eine ganze Abhandlung über die Ethik für ihn schrieb. Sinngemäß sagte ich: Mut ist wohldosierter Eifer angesichts einer Gefahr – die reche Mitte zwischen einem Zuwenig und einem Zuviel. Das Zuwenig heißt in diesem Falle Feigheit, das Zuviel heißt Tollkühnheit.

Jetzt müssen wir nur noch klären, wo die Grenze verläuft: nach unten zwischen Feigheit und Mut und nach oben zwischen Mut und Tapferkeit. Wenn wir das rausfinden, weißt du, wieviel du riskieren solltest, um tough zu sein. Das Wichtigste ist, wie du diese Grenze findest: Nicht durch Denken, sondern durch Fühlen. Dein Herz muss entscheiden, denn dein Herz weiß genau, wo deine Grenze ist. Von einem eurer mutigen Bergsteiger habe ich einmal gehört, dass er sagte: „Ich gehe nie über meine Grenze, nie. Aber ich gehe immer an sie heran und versuche sie zu erreichen, vielleicht sogar ein kleines Stück voranzuschieben. Würde ich sie übertreten, wäre es um mich geschehen.“ Und er sagte auch: „Die Grenze ist doppelt. Auf der einen Seite setzt sie mein Körper, auf der anderen Seite setzt sie der Berg. Um sie zu finden, muss ich beide spüren: Berg und Körper.“ Das hat mir gefallen. Der so spricht, versteht etwas vom Mut. Er weiß, dass mutige Menschen im Herzen mit dem verbunden sind, was ihnen gefährlich ist: und deshalb die Grenze spüren, die sie davor bewahrt, entweder feige oder tollkühn zu sein. Wenn du also fragst, wieviel du riskieren musst, um tough zu sein, dann sage ich dir: Mach dich frei von allen Konzepten, vergiss dein Ego und deinen Willen, spür‘ in dein Herz. Dann, und nur dann, wirst du beherzt handeln.

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Aristoteles (384-322 v.Chr.) gilt als einer der bedeutendsten Philosophen der europäischen Kultur. Geboren wurde er im nordgriechischen Stageira. Als junger Mann kam er nach Athen, wo er in die Akademie seines Lehrers Platon aufgenommen wurde und bald den Ruf eines Meisterschülers erwarb. Später wurde er als Privatlehrer des Prinzen Alexander (später „der Große“) an den Mazedonischen Königshof berufen. Eines seiner wichtigsten Werke ist die Nikomachische Ethik, in der er seine Theorie des guten Lebens entwickelt hat.

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Text von Christoph Quarch, Philosoph und Autor

Dr. Christoph Quarch (*1964) ist Philosoph, Autor, Redner, Platon-Experte und Denkbegleiter. Er berät Unternehmen, unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und veranstaltet gemeinsam mit ZEIT-Reisen Philosophiereisen. Mit seiner SWR-Radiokolumne „Der Frühstücks-Quarch“ sowie mit seinen Podcasts, Artikeln und Büchern erreicht er ein breites Publikum im gesamten deutschsprachigen Raum. Im Jahr 2020 initiierte und gründete er die neue Platonische Akademie (akademie_3.org) zur Entwicklung eines geistigen Paradigmas für das digitale Zeitalter. Zahlreichen Unternehmen im In- und Ausland steht er als philosophischer Gesprächspartner und Autor zur Seite. In seinen vielen Veröffentlichungen schöpft er aus den Quellen der europäischen Philosophie, um tragfähige Antworten auf die Herausforderungen des Lebens im 21. Jahrhundert zu finden. Christoph Quarch lebt mit seiner Frau Christine Teufel und den beiden gemeinsamen Kindern in Fulda. 

 

Dr. Christoph Quarch

Dr. Christoph Quarch
Postfach 16 43
36006, Fulda
E-Mail: info@christophquarch.de
Telefon: +496619525954
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